Ein neuer Geist auf neuen Wegen


Perleberg/Prignitz, Johann Friedrich Turley, 1831 (Riss)
Perleberg/Prignitz, Johann Friedrich Turley, 1831 (Riss)

Im 19. Jahrhundert kam es zu einem tiefgreifenden Stilwandel in den Künsten, der im Orgelbau mit der Auflösung des klassischen Werkprinzips, der Homogenisierung des Klangs, einer entsprechend veränderten Intonation (Tongebung) und in der Gehäusearchitektur mit geradlinigen antikisierenden Formen einherging, welche großenteils auf den Einfluss von Karl Friedrich Schinkel zurückzuführen sind, der als Geheimer Oberbaurat der Oberbaudeputation Preußens gesamtes Bauwesen leitete. Zahlreiche Prospektentwürfe in seinem Nachlass gehen auf drei Grundideen zurück, denen ein großer Teil der märkischen Orgelbauer fast das ganze 19. Jahrhundert hindurch folgte: anfangs besonders mit einer griechischen Tempelfrontvariante (in den Hauptgliedern am Tympanon, der griechischen Säulenordnung und den Flachfeldern erkennbar), hernach zu romanischen Rundbogen- und gotischen Spitzbogenformen übergehend, wobei erstere oft mit einem schlichten abschließenden Horizontalgesims und lisenenartigen Vertikalgliedern versehen sind und letztere fast immer maßwerkdurchbrochene Wimpergabschlüsse zwischen fialenbekrönten Vierkant- oder Polygonalpfeilern aufweisen. Überall dominiert Schlichtheit, auch bei den abweichenden Formen märkischer Landorgelbauer, deren Markt seit der Mitte des 18. Jahrhunderts sichtbar zu wachsen beginnt. Technisch und produktionsstrukturell setzte ein revolutionierender Wandel ein, der zunehmend in die Industrialisierung führte und sich - je nach spezifischer Bedingung - entweder fördernd oder vernichtend auf Orgelbauunternehmen auswirkte, den Orgelbau als solchen aber auf ungeahnt innovative Weise veränderte und voran trieb. Die überragenden Gestalten unter den zahlreichen Orgelbauern dieses Jahrhunderts sind u. a. in dem Lehrer-Schüler-Kontinuum zu suchen, das von Joachim Wagner ausging und sich in Berlin über die Enkelschüler Johann Simon Buchholz, dessen Sohn Carl August, die Werktsatt Lang & Dinse bis zu den Gebrüdern Dinse fortsetzte. Andere bedeutende Linien sind mit den Namen Grüneberg (Brandenburg, Stettin), Heise, Gesell (beide Potsdam) und Sauer (Frankfurt/Oder) verbunden. Unter den „Landorgelbauern“ haben besonders die Turleys (Treuenbrietzen, Brandenburg), Claunigks, Schröthers (beide Sonnewalde/NL), Baer, Lobbes (Niemegk), Lütkemüller (Wittstock), Kienscherf (Eberswalde) und Hollenbach (Neuruppin) prägend gewirkt.